Um in der aktuellen Situation bei der Schließung von Schulen und Kitas besondere Härten für Eltern ohne Anspruch auf eine Notbetreuung abfedern zu können, hat der Gesetzgeber nun aktuell eine Entschädigungsregelung in § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG; Anlage 1, S. 590) aufgenommen. Insoweit kann bei der zuständigen Antragsbehörde vom jeweiligen Arbeitgeber ein Antrag auf die sog. „Eltern-Entschädigung“ gestellt werden. Die neue Regelung des § 56 Abs. 1a bleibt bis zum 31.03.2021 in Kraft. Hier ist eine Liste mit den jeweils zuständigen Antragsbehörden der Bundesländer zu finden.
1. Höhe und Auszahlung der Eltern-Entschädigung
Die Entschädigung pro Monat ist begrenzt auf maximal 2.016 € für einen vollen Monat. Der Arbeitgeber zahlt dabei zunächst den Arbeitslohn in Höhe von 67 % für den Zeitraum von maximal zehn Wochen fort. Er erhält dann anschließend auf Antrag die ausgezahlten Beträge erstattet (Vorschüsse sind auf Antrag möglich).
2. Voraussetzung für die Eltern-Entschädigung
Die Elternentschädigung erhalten erwerbstätige (also auch selbständige) Sorgeberechtigte von Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Gleiches gilt für behinderte Kinder, die auf Hilfe angewiesen sind. Allerdings besteht der Anspruch nur dann, wenn im Zeitraum der Schließung bzw. des Betretungsverbots der Kita oder der Schule keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sichergestellt werden kann. Deshalb ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn betrieblich eine Möglichkeit zum Home-Office bestand, Zeitguthaben in Anspruch genommen werden konnten, eine anderweitige Betreuung durch Verwandte oder Freunde bestand, ein Anspruch auf Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder Schule bestand, Kurzarbeitergeld, Entgeltfortzahlung, alternativer Lohnersatz, Kinderkrankengeld oder andere Leistungen bezogen wurden, eine Betriebsschließungen beim Arbeitgeber vorlag (zum Beispiel durch Allgemeinverfügung, Betriebsferien oder Ähnliches), die Einrichtung in den Ferien / an den Feiertagen ohnehin geschlossen wäre.
Die Regelung des derzeitigen § 56 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 IfSG wird zudem rückwirkend ab dem 16.12.2020 um die folgende Formulierung ergänzt werden:
„(1a) Eine erwerbstätige Person erhält eine Entschädigung in Geld, wenn
1. Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird.“
3. Wichtiger Hinweis für die Beantragung der Eltern-Entschädigung
Insbesondere die Voraussetzung, dass Kita oder Schule nicht ohnehin geschlossen sein dürfen, ist für Eltern schulpflichtiger Kinder bei der Beantragung von Bedeutung.
Der BDA behandelt dieses Thema auch in einer seiner Informationen (Seite 4 und 5).
Die Anträge für diese Entschädigungen sind bei den zuständigen Ämtern (meist Gesundheitsämter) einzureichen. Für diese Beantragung der Entschädigungsleistungen nach dem IfSG für die Verdienstausfälle der Mitarbeiter steht Arbeitgebern aber auch ein standardisiertes Online-Verfahren zur Verfügung.
Als direktes Online-Formular ist bisher lediglich das Antragsformular für Arbeitgeber bei Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Abs. 1a IfSG wegen Schließungen von Kitas und Schulen verfügbar. Erforderliche Nachweise können dem Antragsformular durch Upload beigefügt werden. Der Antrag wird an die zuständige Behörde übermittelt. Es bleibt insoweit also bei der Zuständigkeit der Behörden im jeweiligen Bundesland. Bei den Anträgen auf Entschädigung bei Quarantäne oder Tätigkeitsverboten wird man zumindest derzeit noch auf die Seiten der zuständigen Ämter oder des Landes weitergeleitet. Das weitere Vorgehen ist in diesen Fällen dann abhängig vom Bundesland. An dem Angebot über die Website nehmen nach bisheriger Kenntnis bislang 11 Bundesländer teil. Dabei handelt es sich um Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.
Die Ausgestaltung des Online-Formulars auf Seite 3f. spricht für die Auslegung, dass eine tageweise Berechnung von Entschädigungsansprüchen gewollt ist. Anders als das BGB geht die Behörde dabei also von einer fünf-Tage-Woche aus. Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass auf Seite 4 des Online-Formulars Ansprüche des betreffenden Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB abgefragt werden. Dieser Anspruch ist vom Grundsatz her zwar vorrangig vor Ansprüchen nach dem IfSG. Nach unserer Auffassung kann dies aber nicht auf die derzeitige Situation bei den flächendeckenden Kita- und Schulschließungen sowie auf die mindestens für 14 Tage angeordneten Quarantänemaßnahmen übertragen werden. Unter anderem auf unserer Initiative ist diese Rechtsauffassung bereits mit der Forderung nach einer rechtlichen Klarstellung in die politische Diskussion eingebracht worden.
Ausweitung des Infektionsschutzgesetzes
Nach abgeschlossenem Gesetzgebungsverfahren ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in § 56 Abs. 1a um weitere Erstattungstatbestände für betreuungspflichtige Eltern ausgedehnt worden.
Hinsichtlich der Reichweite des neugefassten § 56 Abs. 1a IfSG hat der ZDH folgende Anmerkungen veröffentlicht:
I. Verhältnis § 56 Abs. 1a IfSG zu § 616 BGB
Sofern die Anwendung des § 616 BGB nicht ohnehin wirksam im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen wurde, wird es bei einer Verlängerung der Schulferien oder bei der Aussetzung der Präsenzpflicht regelmäßig an einer kurzzeitigen Verhinderung fehlen (davon unabhängig ist die Frage, ob § 616 BGB in der Pandemie überhaupt Anwendung findet).
II. Formen der „Kita-Schließungen“ und die Auswirkungen auf die Entschädigungsregelung
1. Empfehlungen der (Kita-) Einrichtungen, vom Besuch abzusehen
Der neue § 56 Abs. 1a IfSG lässt offen, ob die Entschädigungsregelung auch dann gilt, wenn Eltern ihre Kinder aufgrund des dringenden Appells bzw. Empfehlung der jeweiligen Kita zu Hause lassen. Der ZDH hält in diesen Fällen eine entsprechende Anwendung der Norm für geboten. Anders dürfte sich die Rechtslage aber darstelle, wenn Eltern ohne eine entsprechende Empfehlung der Kita ihre Kinder zu Hause lassen – z.B. aus allgemeiner Sorge.
Um späteren Nachweisschwierigkeiten effektiv begegnen zu können ist es deshalb unbedingt zu empfehlen, dass sich betroffene Arbeitnehmer die vorstehend erwähnten Empfehlungen zum Nichtbesuch der Kita von der jeweiligen Einrichtung schriftlich bestätigen lassen. Um besser abschätzen zu können, ob die die zuständige Behörde tatsächlich eine Erstattung der Entschädigungsleistung nach § 56 Abs. 1a IfSG vornehmen wird, ist die vorherige Kontaktaufnahme mit dieser Behörde mit der Frage nach der grundsätzlichen Beurteilung eines solchen Sachverhalts sicherlich hilfreich.
2. Kindertagesstätten bieten (k)eine Notbetreuung an
Bietet eine Kindertagesstätte eine Notbetreuung an, bleibt die Einrichtung formal juristisch zwar geöffnet. Allerdings erhalten dann nicht alle Kita-Kinder eine Notbetreuung. Die Situation bei den Eltern ohne Notbetreuungsanspruch entspricht dann der einer Kitaschließung. Nach nachvollziehbarer Auffassung des ZDH muss in diesen Fällen die Entschädigungsregelung entsprechend gelten. Lehnen Eltern dagegen ein bereitstehendes und auch ihnen offenstehendes Notfallbetreuungsangebot ab, lösen sie damit selbst den Betreuungsbedarf ihres Kindes aus. Die Entschädigungsregelung des § 56 Abs. 1a IfSG greift dann nicht.
3. Schließungen wegen Personalmangels
Schließt eine Kita, weil deren Beschäftigte einer corona-bedingten Quarantäneverpflichtung unterliegen oder arbeitsunfähig erkrankt sind, dann ist die Schließung mittelbar auf das aktuelle Infektionsgeschehen rückführbar. Auch in diesen Fällen beruht der Betreuungsbedarf des Kindes deshalb auf einer Situation, die der Schließung vergleichbar ist. Nach schlüssiger Ansicht des ZDH sollte die Entschädigungsregelung des § 56 Abs. 1a IfSG dann analoge Anwendung finden.
III. Weitere Hinweise
Hier finden Sie die vom Bundesgesundheitsministerium überarbeiteten Hinweise zum Erstattungsverfahren nach § 56 IfSG.
Hinweis zu systemrelevanten handwerklichen Tätigkeiten
Zahlreiche Entscheidungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene orientieren sich an der sogenannten Systemrelevanz der jeweiligen Regelungsadressaten. Der ZDH hat in einer Übersicht zusammengestellt, welche systemrelevanten Beiträge Handwerksunternehmen gerade auch in Pandemie-Zeiten erbringen.