Berlin/Bonn. Die zum Teil wochenlangen Wartezeiten in deutschen Kfz-Zulassungsstellen werden zunehmend zu einer wirtschaftlichen Belastung für die Automobilwirtschaft. Arbeitsplätze und Betriebe sind gefährdet.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) und der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) rufen daher die Bundesländer und Kommunen auf, kurzfristig und entschlossen gegenzusteuern – unter anderem durch rasche und umfassende Einführung des digitalen Zulassungsverfahrens „i-Kfz“.
Das internetbasierte „i-Kfz“-Verfahren ermöglicht es Privatkunden, Erstzulassungen oder Umschreibungen ohne Vorort-Termine bei einer Behörde und damit effizienter vorzunehmen. Die rechtlichen Voraussetzungen für Online-Zulassungen sind durch die Bundesregierung im Oktober 2019 geschaffen worden, dennoch sind sie in vielen Zulassungsstellen bis heute nicht nutzbar.
„Als Folge der coronabedingten Einschränkungen in den Autohäusern und Zulassungsstellen stehen bei den Händlern derzeit Tausende Neu- und Gebrauchtwagen und können nicht an die Kunden übergeben werden. Die Folge sind große wirtschaftliche Schäden für den Kfz-Handel und die Automobilindustrie und verärgerte Kunden“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Der Bund habe den Ländern bereits Hilfestellung gegeben, darunter die Möglichkeit, vereinfachte Verfahren anzuwenden. „Neben einer ausreichenden personellen Ausstattung der Behörden kann eine konsequente Einführung des ,i-Kfz‘-Verfahrens entscheidend dazu beitragen, dass die langen Rückstaus in den Zulassungsstellen abgebaut werden. Außerdem trägt ,i-Kfz‘ dem Gesundheitsschutz Rechnung und ist für die Halter komfortabel“, betont Hildegard Müller.
In der Praxis sind die entsprechenden Online-Portale der Zulassungsstellen in vielen Fällen noch nicht vorhanden oder für Kunden nicht auffindbar, sie arbeiten fehlerhaft oder ein vollständiger Zulassungsprozess ist nicht möglich.
Aufgrund von Personalknappheit werden bei Zulassungsstellen zum Teil Wartezeiten von sechs Wochen und länger gemeldet, vor allem in großen Städten wie Berlin, Köln, Frankfurt oder Stuttgart.
VDIK-Präsident Reinhard Zirpel erklärt: „In dieser ohnehin extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage darf die Situation bei den Behörden nicht zusätzlich zum konjunkturhemmenden Faktor werden. Länder und Kommunen müssen jetzt dafür sorgen, dass die Zulassungsstellen bundesweit so schnell wie möglich wieder effizient arbeiten können. Denn lange Wartezeiten bremsen die Kaufbereitschaft und verhindern damit, dass sich die Automobilbranche schnell und nachhaltig erholen kann.“
Die Automobilindustrie hat nach dem Shutdown die Produktion wieder aufgenommen, die Lage ist jedoch weiter angespannt: In den ersten sieben Monaten des Jahres lag die Zahl der Pkw-Neuzulassungen auf dem deutschen Markt um 30 Prozent unter dem Vorjahresvolumen. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass Zulassungsbehörden in dieser Situation und im Zeitalter der Digitalisierung nicht in der Lage sind, digitale An- und Ummeldeverfahren rasch umzusetzen“, sagt ZDK-Präsident Jürgen Karpinski.
„Unsere Händler können den Kunden nicht erklären, weshalb sie etliche Wochen warten sollen, bis sie ihr fahrbereites Fahrzeug endlich nutzen können“, so Jürgen Karpinski. „Die Behörden sollten sich als Dienstleister der Bürger sehen und dafür sorgen, dass die Bearbeitungszeiten rasch wieder kürzer werden. Außerdem sollten sie sich um eine umfassende Implementierung des ,i-Kfz'-Verfahrens kümmern.“
Die tausende Fahrzeuge, die derzeit bei den Händlern stehen und nicht zugelassen werden, binden Kapital, das der Kfz-Handel in der aktuellen Situation dringend für das wirtschaftliche Überleben benötigt.
Hinzu kommen vor allem in Großstädten hohe Standkosten. Der dadurch auf der Branche lastende Druck erhöht das Risiko von Insolvenzen im Automobilhandel und stellt eine Nachfragebremse da.